Die drei Hauptnischen bieten eine Kurzfassung der Heilsgeschichte, von links nach rechts gelesen. Die Figur oben, die geometrischen Figuren darunter und das kleine Feld ganz unten gehören jeweils zusammen.
In der linken Nische die Gestalt eines stürzenden Menschen: Hart schlägt er mit dem Kopf auf – wie bei einem Sturz aus großer Höhe. Anspielung auch auf die Höhenflüge des Menschen, der sich anmaßt sein zu wollen wie Gott – und dabei übel abstürzt, dem oftmals alles zerbricht, was er so schön geplant hat – spätestens im Tod. Wenn man diese stürzende Gestalt genauer betrachtet, die schon in einzelne Gliedmaßen zerbrochen erscheint, erkennt man auch die Andeutung eines Flügels – ein Hinweis auf den gefallenen Engel, den Widersacher Gottes. Darin verbirgt sich im Grunde schon die positive Aussage: Das Böse stürzt, zerbricht, seine Macht ist gebrochen seit Jesus Christus.
Er, der Auferstandene in der Mitte, kommt dem Betrachter fast aus dem Altar entgegen, mit erhobenem Haupt. Er tritt frei heraus aus der Todeswelt, lässt deren Schatten hinter sich, strebt neuem Leben zu – und reicht uns die Hand. Seine Geste erinnert an das Wort Jesu: Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Dieser Auferstandene weiß, was mühselig und beladen heißt; sein geschundener Körper zeigt es. Zu seinen Füßen ein Fisch – Anspielung des Künstlers auf den Propheten Jona, der drei Tage im Bauch des Fisches war – so war Jesus drei Tage im Tod bevor er zu neuem Leben auferstanden ist. Der Fisch ist schon in der alten Christenheit Symbol für Christus und die Christen gewesen.
In der rechten Nische steht ein Kind. Das Bild des Kindes ist dem Bildhauer Symbol des neuen Lebens, Symbol des Heilseins, Zufriedenseins, Frohseins. Jesus stellt uns Erwachsenen die Kinder als Vorbild hin: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nie ins Reich Gottes kommen. Das neue Leben wächst aus dem kleinen Unscheinbaren. Der Künstler denkt dabei auch an die zukünftige Welt, die uns verheißen wird – in der wir als Gottes Kinder leben können in heiterer froher Sorglosigkeit. Das Kind trägt eine Pflanze in der Hand, die sogar den Rahmen des Altars sprengt – auch Pflanzen, Tiere – die ganze Schöpfung wird an dieser neuen Welt Anteil haben.
Die Zeichen unter den Figuren sind in Verbindung mit den Figuren zu sehen: Quadrate links erinnern an Gitterstäbe – an Gefangenschaft des Menschen in der Macht des Bösen. Die Dreiecke in der Mitte verbinden diesen Menschen, der in sich selbst gefangen ist mit dem neuen, was ihm verheißen ist: Das Oval als Symbol der Einheit, als Symbol des ganzheitlichen gottgewollten Daseins findet sich auf der rechten Seite. Diesen Gedanken der Ganzheitlichkeit findet man auch wieder in der Spirale mit Mond und Sonne ganz unten auf dem Altaransatz.
Auch die drei kleinen Reliefs darunter müssen im Zusammenhang mit dem Oberen gelesen werden. Eine eindeutige Deutung für sie gibt es nicht einmal vom Künstler. Es gehört zu moderner Kunst, dass jeder eigene Entdeckungen machen kann und soll. Das ursprüngliche Thema der drei Felder hieß von links nach rechts: Luft – Erde – Wasser. Dabei lässt sich noch mehr entdecken: Beim linken Feld könnte man denken, dass da etwas fehlt. Es gehört aber tatsächlich so – und ist auf jeden Fall in Verbindung mit dem oberen Bild zu sehen. Dunkel, Finsternis, das absolute Nichts soll dieses so unfertig wirkende Relief bedeuten – eben das; wo der Mensch hinstürzt ohne Gott. Das zweite Relief wurde vom Künstler einmal als „Aufbruch“ bezeichnet. Auch apokalyptische Züge lassen sich sehen, Blitze und Raketen. In der Verbindung zu oben lässt sich sagen: Auferstehung Jesu verändert die Welt zum Teil auch erschreckend. Jesu Person und Botschaft hat nicht nur Menschen erfreut, sondern bei vielen Ärger und Unruhe ausgelöst. Wer lässt sich schon gerne grundsätzlich in Frage stellen? Das letzte Bilde auf der rechten Seite unten trägt vergleichsweise zarte Grautöne, Kreisstrukturen. In der Verbindung mit der oberen Figur kann das Wasser auch Hinweis auf die Taufe sein, mit der das neue Leben für uns Christen schon angefangen hat.
Auf der Empore
Oben, auf der rechten Seite der Empore hängt das Kruzifix. Viele Jahre vorher hing es an der Seite im Altarraum. Als es dann auf den Altar kam, ist auch erst dieses lange Holzkreuz angeschafft worden, damit es hoch genug ist. Man sieht, dass es vom Stil her nicht passt. Der Korpus selbst ist aus der alten Kirche, die 1887 abgebrannt ist. Der Körper ist kleiner als ein normaler menschlicher Körper, aber es ist nicht ein vergeistigter, abgehobener Christus, sondern ein wirklicher menschlicher Körper, realistisch ausgearbeitet: Rippen, Adern, Muskeln, Knie. Ein einfaches Tuch trägt er nur mit einem Seil um den Körper gebunden. Seine Augen sind nicht geschlossen, sondern leicht geöffnet – gebrochene Augen.
Auf der linken Emporenseite hängt das Bild, das ursprünglich mitten im alten neugotischen Altar war. Es zeigt den segnenden Christus über dem gerade wieder aufgebauten Ort Bischofsgrün.
Die heutigen Bischofsgrüner Kirchen sind nicht besonders alt – die katholische etwa 40 und die evangelische gut 100 Jahre. Sie hatten jedoch Vorgängerinnen, von denen ein paar Reste in der evangelischen Kirche zu sehen sind.
Wann es im heutigen Bischofsgrün die ersten Siedlungen gab, weiß man nicht genau. Trotzdem gab es 1992 eine 750-Jahr-Feier.
Der Grund: In einer Urkunde von 1242 wird Bischofsgrün als „Bischofesgrune“ erwähnt; dort liegende Güter habe der Bischof Otto von Bamberg der Kirche übertragen. Bischofsgrün gab es also schon vorher. Die erste Nachricht über eine Kirche in Bischofsgrün stammt aus dem Jahr 1496. Da ist von einer Catharinenkapelle die Rede, die wohl an dem Fußsteig vom Friedhof zum ehemaligen Bahnhof stand. Vermutlich wurde sie im 11. Jahrhundert gebaut.
Ein Pfarrer aus dem 19. Jahrhundert schreibt, dass es zumindest im Jahr 1204 bereits eine Kirche etwa an der Stelle der heutigen Kirche gab – aber über ihre Entstehung weiß man nichts genaues. Bekannt ist, dass Bischofsgrün von der Reformation erfasst wurde; 1536 wurde hier der erste evangelische Gottesdienst eingeführt und das erste Kirchenbuch wurde 1558 begonnen. Genauere Nachrichten gibt es darüber, dass diese Kirche, sie hieß Aegidienkirche, 1612 abgebrannt ist. Damals verwüstete ein großer Brand 8 Häuser im Ort mit ihren dazugehörigen Bauten und außerdem Pfarrhaus und Kirche. Fast nichts konnte aus der Kirche gerettet werden.
Danach hat man in aller Eile eine neue Kirche aufgebaut. Der Brand war am 19.Mai und schon im selben Sommer war die Kirche gedeckt und mit Kirchenstühlen versehen. Vielleicht zu schnell – zumal man dann im 30-jährigen Krieg anderes zu tun hatte als sich um den Zustand der Kirche zu kümmern. 80 später schon war der Bauzustand so schlecht, dass man schon wieder neu bauen musste.
Diesmal hat man sich mehr Zeit gelassen: von 1699 bis 1702 wurde gebaut. Noch nicht die heutige Kirche, aber immerhin ihre Vorgängerin, von der noch heute ein paar Reste erhalten sind. Das Holz zu dieser Kirche bekam man kostenlos vom Markgraf. Für die sonstigen Kosten nahm man einige Darlehen bei den benachbarten Kirchengemeinden auf. Ganz arm war Bischofsgrün damals allerdings schon nicht mehr. Im 17. Jahrhundert gab es hier mehrere Glashütten, die Aufschwung und Ansehen für Bischofsgrün mit sich brachten – auch eine Steigerung der Einwohnerzahl; die neue Kirche wurde größer gebaut als die alte. Allerdings war sie noch deutlich kleiner als die heutige. Zum Vergleich: Bischofsgrün wird um 1700 etwa 400 bis 500 Einwohner gehabt haben, heute sind es über 2000. Im Jahr 1702 wurde diese Kirche eingeweiht – und die Einwohner von Bischofsgrün waren besonders stolz, dass in der Einweihungswoche sogar die Erbprinzessin Sophia kam, eine vermählte Markgräfin von Brandenburg, um die neue Kirche zu besuchen. Ihr zu Ehren haben die neuen Glocken zum ersten Mal geläutet.
Diese Kirche hieß zuerst noch Aegidienkirche nach ihrem Einweihungsdatum am
1. September. Doch irgendwann wurde daraus eine Matthäuskirche. Man weiß nicht so genau wann. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts hat man jedenfalls wie heute den Matthäustag, d. h. den 21. September als Kirchweihtag gefeiert. Der damalige Pfarrer vermutet, man hätte das Kirchweihfest um einige Wochen hinausgeschoben, um nicht mitten in der Erntearbeit gestört zu werden – und auch um zur Kirchweih Zeit zu haben, ordentlich zu feiern.
Auch diese Kirche wurde nicht sehr alt. Knapp 200 Jahre nach ihrer Einweihung 1887 sollte sie gründlich renoviert werden. Die Gemeinde musste für einige Wochen die Kirche verlassen. Es wurde alles neu getüncht, die morschen Kirchenstühle durch neue ersetzt und vieles mehr. Der Gottesdienst fand inzwischen im Freien statt. Am Kirchweihsonntag, 25. September 1887 hoffte man in der frisch renovierten Kirche wieder Gottesdienst feiern zu können.
Doch es kam anders. Es brannte wieder in Bischofsgrün, gerade 6 Tage vor der geplanten Wiedereinweihung: am 19. September vernichtete ein großer Brand einen großen Teil des Dorfes. Die Ursache blieb unbekannt. Das Ergebnis: 40 Wohnhäuser mit ihren Nebengebäuden waren abgebrannt. 415 Menschen aus 73 Familien obdachlos. Es verbrannten auch die Kirche und das Pfarrhaus. Übrig blieben 4 massiv gebaute Wohnhäuser und das Schulhaus (heute Reisebüro Greiner beim Rathaus), in dem zu diesem Zeitpunkt zum Glück die Chroniken aus dem 19. Jahrhundert und die alten Kirchenbücher lagerten. Nur wenig ist deshalb aus dieser Kirche erhalten geblieben: die Glocke im Vorraum stammt noch aus der Vorgänger-Kirche – 1626 gegossen. Das Holzkruzifix oben rechts auf der Empore ist aus dem 17. Jahrhundert. Über dem Sakristeieingang – ebenfalls eine kleine Kreuzigungsgruppe, Öl auf Holz – um 1700 entstanden. Vorne das Becken im Taufstein – der Inschrift nach 1700 von jemanden aus Streitau der Kirche in Bischofsgrün gewidmet.
Bischofsgrün hatte zur Zeit des Brandes einen eifrigen Pfarrer mit großem Organisationstalent: Friedrich Gruber, nach dem der Brunnen am Pfarrgarten gleich beim Ortseingang benannt ist, war in ganz Deutschland unterwegs, um Spenden zu sammeln für die notleidende Bevölkerung Bischofsgrüns. Auch für den Neubau der Kirche hat er sich eingesetzt. September 1889, zwei Jahre nach dem Brand, war Grundsteinlegung – und zwei Jahre später, am 20.9.1891, wurde die heutige Matthäuskirche eingeweiht. Die Finanzierung wurde möglich, indem die staatliche Baupflicht mit einer einmaligen recht hohen Summe abgelöst wurde.
Bei der Einweihung 1892 sah unsere Kirche allerdings noch etwas anders aus als heute – was die Innenausstattung betrifft. Insgesamt im neugotischen Stil erbaut, in Nachahmung der Gotik des Mittelalters. Typisch dafür: überall Spitzbögen an den Fenstern und der Kanzel; Dreipaß und Vierpaß-Strukturen wiederholen sich an vielen Stellen der Kirche, auch am Taufstein; selbst die Efeu-Schnitzereien erinnern noch daran. Typisch für die Gotik dann auch das Netzgewölbe im Hauptschiff und im Altarraum. Soweit die Elemente, die die Kirche schon vor 100 Jahren prägten. In diesem Zeitraum hat die Kirche zweimal deutliche Veränderungen des Innenraumes, vor allem des Altarraumes erlebt.
Die erste fand 1953 statt. Bis dahin gab es einen großen neugotischen Altar ganz aus Holz. Über der Kanzel war ein hoher Kanzeldeckel – ebenfalls neugotisch – und noch manche andere Kleinigkeit in neugotischem Stil wie zum Beispiel die Anstecktafeln für die Lieder. All das wurde 1953 entfernt; äußerer Anlass war, dass der Altar von unten leicht morsch und angefault war. Der Sache nach aber steckte dahinter, dass man die Neugotik zu dieser Zeit als „Pseudogotik“ abqualifizierte, als unecht Nachgemachtes. Zusätzlich wollte man wohl zu dieser Zeit eine lutherische Kirche möglichst schlicht haben – ohne zu viel Verspieltes, Gefühlsbetontes. Der damalige Pfarrer Preuß vertrat diese Position mit Engagement, zunächst nicht unbedingt zur Freude der Gemeinde.
Auch der Sternenhimmel im Altarraum, den sie jetzt wieder sehen, wurde damals übermalt. Anstelle des alten neugotischen Holzaltars kam der Steinaltar in die Kirche und auf den Altar stellte man das große Holzkreuz, das jetzt oben recht in der Kirche seinen Platz gefunden hat. Damit dies passend wirkte, musste das Kreuz selbst neu angefertigt werden. Dabei ließ Pfarrer Preuß zunächst das obere Stück des Längsbalkens weg, um den Charakter des Kreuzes als Galgen zu betonen. Das war jedoch für die Bischofsgrüner so anstößig, dass sie bald – kaum war der Pfarrer mal für ein paar Tage weg – einen Schreiner dieses obere Stück ergänzen ließen. Außerdem wurde bei dieser Renovierung der Taufstein zur Seite gerückt, der alte Kronleuchter entfernt, das Fenster hinter dem Altar zugemauert und noch manches andere verändert, um einen möglichst schlichten Kirchenraum zu haben. Dieser Zustand des Kircheninneren ist auch noch im Modellkirchlein erhalten, das aus dem Jahr 1959 stammt.
Etwa 30 Jahre später war aus mancherlei Gründen die nächste Innenrenovierung der Kirche notwendig. Dabei wurde versucht, den ursprünglichen Zustand der Kirche wie vor 100 Jahren so weit möglich wieder herzustellen oder doch sich zumindest dem anzunähern. Die alten Holzteile sind unwiederbringlich verloren. Von einer kostenaufwendigen Rekonstruktion wollte man absehen. Deshalb hat die Kanzel nach wie vor keinen Deckel. Aber der Sternenhimmel wurde rekonstruiert, ebenso der alte Fußboden, der Taufstein an seinen alten Platz gerückt – und es gibt wieder einen zumindest zum Teil neugotischen Altar.
Die Entstehungsgeschichte dieses Altars ist folgende: Die Gemeinde Abtswind bei Würzburg hatte Reste eines neugotischen Altars (oder mehrerer?), die dort keine Verwendung mehr hatten. 1986 bis 1990 wurde über diesen Altar verhandelt, dann wurde er restauriert und anschließend rekonstruiert.
Doch dieser Altar hatte keine bildliche oder figürliche Füllung. Dafür wurde 1990 ein Wettbewerb ausgeschrieben, wobei der Kirchenvorstand gewisse Vorstellungen hatte. Insbesondere kam es den Kirchenvorstehern darauf an, einmal das Positive des Christentums ins Zentrum zu stellen: Nicht das Kreuz und den Tod Jesus Christi für uns – sondern seine Auferstehung. Gelegentlich wundern sich Besucher darüber, dass in unserer Kirche kein Kreuz im Altarraum hängt – das ist natürlich nicht ganz richtig – über der Sakristei hängt eine kleine Kreuzigungsgruppe. Aber lange vor dem Kruzifixurteil war es hier wirklich Anliegen der an der Entscheidung Beteiligten: Der Auferstandene sollte im Mittelpunkt stehen, der positive Inhalt unsers christlichen Glaubens. Inwieweit dieser Auferstandene eine positive Figur ist – darüber lässt sich natürlich streiten.
Ein Preisgericht hat sich schließlich Ende 1991 für den Entwurf des Münchner Künstlers Werner Mally-Kral entschieden. Im Sommer 1992 war der Altar mit seinen Lindenholzfiguren fertiggestellt.
Derselbe Künstler hat dann 1997 im Auftrag des Kirchenvorstandes ein dazu passendes Lesepult angefertigt. Aus übriggebliebenen Verzierungen vom Altar ist die Girlande an diesem Pult zusammengesetzt.